Schweizer Gemeinden suchen verzweifelt nach Ratsmitgliedern: Nachwuchs für politische Ämter fehlt

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Schweizer Gemeinden suchen verzweifelt nach Ratsmitgliedern: Nachwuchs für politische Ämter fehlt

Schweizer Gemeinden stehen vor einer ernsthaften Herausforderung: Es wird immer schwieriger, Kandidatinnen und Kandidaten für Gemeindeämter zu finden. Eine aktuelle nationale Befragung hat ergeben, dass fast die Hälfte der Gemeinden große Schwierigkeiten hat, engagierte Bürgerinnen und Bürger für Exekutivämter zu gewinnen. Besonders kleinere Gemeinden sind betroffen – hier drohen vakante Posten, die wichtige Entscheidungsprozesse verzögern oder sogar lähmen könnten.

Mangel an Kandidaten – ein zunehmendes Problem

Viele Gemeinden kämpfen bereits seit Jahren mit einem schwindenden Interesse an politischem Engagement auf lokaler Ebene. Gründe dafür gibt es viele:

Hohe zeitliche Belastung: Gemeinderatsarbeit ist mit großem Aufwand verbunden, oft neben dem regulären Beruf.
Geringe finanzielle Anreize: In vielen Gemeinden sind die Entschädigungen für politische Ämter gering, insbesondere im Vergleich zum hohen Arbeitsaufwand.
Zunehmender Druck und Kritik: Ratsmitglieder stehen oft in der Kritik der Bevölkerung oder müssen mit zunehmenden administrativen Anforderungen kämpfen.

„Es ist nicht mehr so einfach wie früher, jemanden zu finden, der diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen möchte“, sagt Peter Baumann, Gemeindepräsident aus dem Kanton Solothurn. „Früher waren es oft Geschäftsleute oder Landwirte, die sich in den Rat wählen ließen. Heute haben viele einfach keine Zeit mehr oder scheuen die zusätzliche Belastung.“

Besonders kleine Gemeinden betroffen

Während größere Städte und wohlhabendere Gemeinden oft weniger Probleme haben, ist die Lage in kleinen Gemeinden dramatisch. In einigen Orten droht sogar ein politisches Vakuum, weil sich niemand zur Wahl stellt. In gewissen Fällen müssen sogar Fusionen mit benachbarten Gemeinden in Betracht gezogen werden, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten.

„Wenn wir keine Lösung finden, müssen wir möglicherweise unsere Gemeinde mit einer anderen zusammenlegen“, erklärt Andrea Meier, Gemeindeschreiberin von Walchwil (ZG). „Das wäre eine große Veränderung für unsere Bürgerinnen und Bürger.“

Lösungsansätze: Wie Gemeinden um neue Mitglieder werben

Um das Problem zu bekämpfen, setzen viele Gemeinden auf kreative Strategien:

🔹 Öffentliche Informationsveranstaltungen sollen Bürgerinnen und Bürger über die Vorteile und Möglichkeiten der politischen Beteiligung aufklären.
🔹 Flexiblere Modelle für Gemeinderatsarbeit – etwa Heimoffice oder reduzierte Arbeitsstunden – sollen mehr Berufstätige für Ämter gewinnen.
🔹 Bessere finanzielle Anreize: Einige Gemeinden prüfen, ob die Entschädigungen für Ratsmitglieder erhöht werden können.
🔹 Gezielte Ansprache jüngerer Generationen: Schulen und Universitäten werden verstärkt in politische Informationskampagnen eingebunden.

Besonders die Nutzung sozialer Medien wird als Möglichkeit gesehen, um jüngere Menschen für lokale Politik zu begeistern. „Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger da abholen, wo sie sich aufhalten – und das ist heute nun mal das Internet“, sagt Jonas Keller, Gemeinderat aus St. Gallen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Sollte sich der Trend fortsetzen, könnten einige Gemeinden ernsthafte Probleme bekommen, ihre Verwaltungsaufgaben effizient zu erfüllen. Bereits jetzt gibt es in einigen Regionen Schwierigkeiten, wichtige Entscheidungen zu treffen, weil die Gremien nicht vollständig besetzt sind.

Experten sind sich einig: Die Politik auf kommunaler Ebene muss attraktiver werden, um langfristig funktionierende Gemeinden zu gewährleisten. Das bedeutet mehr Unterstützung für ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker sowie neue Strukturen, die Engagement erleichtern.

Wie sich die Situation in den kommenden Jahren entwickelt, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Ohne neue Lösungsansätze könnte das politische System auf Gemeindeebene in der Schweiz vor tiefgreifenden Veränderungen stehen.